Der Ideenbefreite Bundeskanzler Kurz – Kein “Grün” für Österreich

Titelfoto des Time Magazine mit Bundeskanzler Sebastian Kurz

Titelbild Time Magazine mit Bundeskanzler Sebastian Kurz

Der ideenbefreite Bundeskanzler Kurz gab für das Time Magazine einen Gastkommentar ab, hatte aber nichts Neues zu sagen (Time-Artikel).

Eines steht fest, es gibt kein „Grün“ für Österreich. Die Grünen regieren in einer Koalition mit der „türkisen Bewegung“ Kurz (vormals ÖVP) mit und stellen mit Herrn Kogler den Vizekanzler.

Worüber reden die Herren eigentlich miteinander?

Der Klimawandel kann nicht das Thema sein, vielleicht ist es die zahnlose Opposition. Statt „grüner“ Themen wird Schnee von gestern erzählt.

Kommt die Antwort auf den Klimawandel aus der politischen Mitte?

Der Kommentar des Bundeskanzlers im Time Magazine und die Fakten:

Bundeskanzler Kurz, die Erste: Die notwendige Antwort auf den Klimawandel muss aus der politischen Mitte kommen.

Diese Behauptung ist zwar mit Bestimmtheit geäußert, aber durch die Erfahrungen der Vergangenheit widerlegt.

Veränderung und Fortschritt kamen in der Vergangenheit (Österreichs) immer von den Rändern – zum sozialen Fortschrittlichen hin – von links. Von rechts kamen auch extreme Veränderungen – diese rissen Völker ins Unglück.

Die politische Mitte stand noch nie für Veränderung – sie steht für Bewahren und ist konservativ – stets bildet sie ein bremsendes Moment gegenüber vorwärtsstürmenden Fortschrittsideen.

Ist der freie Markt die Antwort auf den Klimawandel?

Bundeskanzler Kurz, die Zweite: Das beste Modell zur Bekämpfung des Klimawandels ist die liberale Demokratie, die auf freier Marktwirtschaft und Rechtsstaatlichkeit beruht. Das Wirtschaftswachstum steht im Dienst von Wohlstand, Reichtum, Gesundheit und Lebensqualität.

Bis in die Regierungskreise Österreichs sprach sich offenbar die Krise um den Neoliberalismus noch nicht herum. Das ausgelutschte Märchen vom freien Markt, der alles zum Wohle der Menschen regle, hat sich auserzählt.

In der Vergangenheit wurden Unternehmens- und Vermögenssteuern gesenkt in der (unerfüllten) Hoffnung auf höhere Investitionen und dass diese Mehrinvestitionen allen Staatsbürgern in Form von Wohlstand und Reichtum zugutekämen (amerikanisch: Trickle Down Effekt, russisch: Potemkin’sche Dörfer).

Einkommmenswachstum seit 1985 bis 2016

Das Diagramm zeigt die weltweite Realität. Die Top-Einkommensverdiener steigerten ihr Einkommen von 1985 weg bis 2016 um 63%, während jenes der unteren 10% nur um 20% wuchs. Der Grund: nur Vermögende können ihr Geld für sich arbeiten lassen, der übrige Teil der Bevölkerung muss dies selbst tun.

Wie sieht die Einkommensverteilung in Österreich aus?

Einkommensungleichverteilung Österreichs

Das Diagramm zeigt die Verteilung des Gesamtvermögens in Österreich. Die reichsten 1% besitzen 41% des Gesamtvermögens Österreichs. Die 50% einkommensschwächsten Österreicher besitzen nur 2,5% am Gesamtvermögen (Quelle: Eckerstorfer, P., Halak, J., Kapeller, J., Schütz, B. and Wildauer, R. (2013): Bestände und Verteilung der Vermögen in Österreich. Materialien zu Wirtschaft und Gesellschaft, 122, pp.1-49).

Das Ziel der freien Marktwirtschaft ist nicht, wie der Bundeskanzler Kurz meint, Wohlstand und Reichtum für alle, sondern Wohlstand und Reichtum für wenige ­– die Besitzenden.

Vermeidet „Business as Usual“ den Klimacrash?

Bundeskanzler Kurz, die Dritte: Wir werden keine Fortschritte erzielen, wenn wir plötzlich versuchen, das was wir heute tun, zu ändern.

„Business as Usual“ wie es der Bundeskanzler vorschlägt, keine plötzlichen Änderungen, um das Wirtschaftswachstum nicht zu gefährden, bewirkte in der Vergangenheit gar nichts. Statt die CO2-Emissionen zu reduzieren wuchsen sie weiter. Die notwendigen Anstrengungen die Pariser Klimaziele auch nur annähernd zu erreichen werden immer größer – eigentlich glaubt niemand mehr daran. Business as Usual führt zum Klimacrash.

Des Bundeskanzlers Berater, Herr Wolfgang Schüssel, hat sich während seiner Regierungszeit als unfähig erwiesen, die CO2-Emissionen Österreichs zu senken. Der aktuelle Bundeskanzler Kurz scheint seinem Weg zu folgen.

Treibhausgasemissionen Österreichs mit Klimazielen

Die Abbildung zeigt die bisherige Misserfolgsbilanz Österreichs (Lesen sie auch: Klimatraum Österreichs). Ziele werden nicht eingehalten – neue, noch steilere Zielgeraden werden formuliert. Das ist der alte Weg des neuen Bundeskanzlers in eine „grüne“ Zukunft. Kein „Grün“ für Österreich.

CO2 Emissionen weltweit und entwicklungsziele

Die Lücke zwischen Wollen und Tun klafft weltweit immer weiter auseinander, zeigt das Diagramm. Österreich tut mit.

Das Pariser 1,5°C-Ziel ist außer Reichweite.

Derzeit emittiert die Welt 36,8 Gigatonnen CO2. Bei der vom Bundeskanzler vorgeschlagen gemächlichen Gangart werden 2030 jährlich 45 GtCO2 emittiert werden, um 33 GtCO2 zu viel. Das vom Bundeskanzler geäußerte Ziel 2040 CO2-neutral zu sein – ist unglaubwürdig und unrealistisch; es kann nicht ernst gemeint sein.

Können Innovationen der Zukunft den Klimawandel stoppen?

Bundeskanzler Kurz, die Vierte: Der Bundeskanzler gibt Beispiele für Technologien, die den Klimawandel stoppen können: Erneuerbare Energien, Bauen mit biologisch abbaubaren Materialien, synthetische Kraftstoffe, Reduktion von CO2 durch Abscheidung und andere vielversprechende Technologien.

Erneuerbare Energien sind der wichtigste Weg. Sie müssen nicht entwickelt werden, es gibt sie bereits: Photovoltaik, Solarzellen, Windenergie, Wasserenergie, Geothermie.

Herr Bundeskanzler Kurz und im Übrigen auch die „Grüne“ Riege in der Regierung: Investieren Sie jetzt massiv in diese Technologien – das wird dringend nötige Arbeitsplätze in Klein- und Mittelbetrieben schaffen – das ist Investition in die Zukunft und es ist das Erfolgsrezept aus der Corona-Krise!

Die Rettung der AUA und die Subventionierung der LUFTHANSA mit dem Geld österreichischer Steuerzahler ist der falsche Weg (Lesen sie auch: Grüne Investitionen).

Machen Sie nicht den Fehler Business as Usual – es wird nach dem Einbruch der CO2-Emissionen auf Grund der Corona-Pandemie zu einem folgenden schnelleren Anstieg führen (siehe Diagramm).

Verlauf der Treibhausgasemissionen seit 1960 mit Rückgängen bei Krisen

Herr Bundeskanzler, ja, sie haben recht: Bauen mit biologisch abbaubaren Stoffen ist sinnvoll – stellen Sie ein umfassendes Förderprogramm auf, das Haushalte und Unternehmen anregt und unterstützt, Dämmungseigenschaften der Häuser und Gebäude zu verbessern, Wärmepumpen zum ökologischen klimaneutralen Heizen einzusetzen, Solaranlagen und Photovoltaikmodule auf den Dächern zu montieren usw.

Schlecht beraten wurden Sie übrigens bei der Aufzählung: synthetische Kraftstoffe und Reduktion von CO2 durch Abscheidungstechnologien.

Biosprit ist eine schlechte Lösung

Ja, wissen Sie denn nicht, dass der Beschluss der EU (2006) verpflichtend 5% Biosprit fossilen Treibstoffen beizumischen den Klimawandel weiter beschleunigte?

Den Bauern der EU-Mitgliedsstaaten fehlen die Kapazitäten die erforderlichen Mengen Biosprit herzustellen. Deshalb sind sie mittlerweile die drittgrößten Importeure von Palmöl. Den Palmöl- und Sojaplantagen mussten Regenwälder in Amazonien und Indonesien weichen. Die Trockenlegung von Torfböden für Plantagen setzte große Mengen an Methan frei.

Palmölbasierter Biodiesel ist 3-mal klimaschädlicher als normaler Kraftstoff (Quelle: The land use change impact of biofuels consumend in the EU; EU project numer BIENL13120; Ecofys, IIASA, E4tech; 2015).

Die Reduktion von CO2 Abscheidung ist ein Argument der Kohleindustrie. Sie sprechen offenbar für die deutsche Kohlekraftwerksindustrie, die zu den größten Dreckschleudern und CO2-Emittenten auf diesem Planeten gehören. Österreich ist aus den Kohlekraftwerken ausgestiegen. Oder?

Wasserstoff das Zaubermittel in weiter Ferne

Andere innovative Technologien (wie Kohlenstoffabscheidung und -speicherung, DACC-Methoden (Direktabscheidung von CO2 aus der Luft), CCU (Kohlenstoffabscheidung und -verwertung) etc. sind angedacht, aber in weiter Ferne einer Realisierung – sowohl technisch als auch im erforderlichen Maßstab.

Auch die von Ihnen an anderer Stelle erwähnte Wasserstofftechnologie wird in großem Umfang, nachhaltig erst in 20 Jahren verfügbar sein. Solange die unverzichtbare Elektrizitätsversorgung bei der Wasserstoffproduktion (vorrangig) über fossile Brennstoffe erfolgt, wird es diesen „grünen“ Wasserstoff nicht geben. Die Technologie zur Erzeugung von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien steckt in den Kinderschuhen – Demonstrationsprojekte stehen für eine ferne Energiezukunft (BM Deutschland Wasserstoffprojekt).

Ihre Aussagen, Herr Bundeskanzler Kurz, die Lösung des Klimaproblems sei in Innovationen der Zukunft zu finden, zeugt von Einfallslosigkeit und mangelnder Tatkraft. Jetzt, heute, sofort, ist entschlossenes Handeln angesagt.

Notre tête est ronde permettre à la pensée de changer de direction


Unser Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann

Francis Picabia

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