Das Erreichen der internationalen Klimaziele erfordert eine drastische Ausweitung sauberer Energietechnologien zur Verringerung der Treibhausgasemissionen – eine Energiewende. Für die rechtzeitige Bereitstellung dieser Technologien ist eine vehemente Innovationsbeschleunigung unverzichtbar.
Fast 40% der Treibhausgasemissionen gehen auf die Verbrennung fossiler Stoffe zur Erzeugung elektrischer Energie zurück. Jeweils ein Viertel der Emissionen erzeugt die Industrie und der Verkehr.
Ist Optimismus hinsichtlich der Energiewende angebracht?
Ein vorsichtiger Optimismus mit Blick auf eine Energiewende ist angebracht. Er gründet auf spektakuläre Erfolge der Photovoltaik als mittlerweile billigste Energiequelle und dem beeindruckenden Aufstieg der Offshore-Windenergieanlagen. Saubere erneuerbare Energieträger können den Durchbruch schaffen, wenn die Regierungen die richtigen unterstützenden politischen Maßnahmen ergreifen.
Energiewende und Signale der Regierungen
Ein später mit 40 Milliarden Euro vergoldeter Kohleausstieg 2038, wie in Deutschland plant, ist das falsche Signal zur Energiewende, wie auch ein lächerlicher 10 Euro pro Tonne CO2-Preis ab 2021.
Die Rettung der Fluglinie AUA durch eine ÖVP-Grüne-Koalitionsregierung in Österreich mit insgesamt 450 Millionen (davon 300 als staatlich garantierter Bankkredit und 150 Millionen als Zuschuss) unterstützt die Zerstörung des Planeten und verhöhnt Forderungen des Klimaschutzes.
Es ist zu hoffen, dass die 40 Minister, die am 9. Juli 2020 an der Konferenz der Internationalen Energieagentur (IEA) teilgenommen haben, es ernst meinen. Sie protokollierten im Rahmen ihrer Konjunkturprogramme als Reaktion auf die COVID-19 Krise auf saubere Energietechnologien zu setzen.
Größte Herausforderung der Energiewende
Die größte Herausforderung für eine erforderliche Energiewende sind die enormen Flotten ineffizienter Kohlekraftwerke, Stahlwerke, Chemieanlagen und Zementfabriken – viele von ihnen wurden erst kürzlich gebaut – sie sind die großen Hindernisse und vereiteln sämtliche internationale Klimaziele. Ein Beispiel für das irrationale Vorgehen der Regierungen ist der Bau und die Inbetriebnahme des neuen Steinkohlekraftwerkes Datteln 4 in Deutschland.
40% der deutschen Treibhausgasemissionen produziert die Energiewirtschaft. Elektrischer Strom aus Kohle ist gegenüber Photovoltaikstrom teuer. Er beraubt uns unserer Lebensgrundlage und muss dazu auch noch subventioniert werden.
Wie können die angesagten Netto-Null-Strategien realisiert werden?
Netto-Null-Strategien im Jahr 2030 oder 2050, wie sie derzeit viele Regierungen verkünden, sind nicht allein durch saubere Energieerzeugung zu realisieren. Verkehr, Industrie und Gebäude sind für mehr als 55% der CO2-Emissionen verantwortlich. Diese sind zu senken.
Das Diagramm zeigt den notwendigen Rückgang der Treibhausgase in einem nachhaltigen Entwicklungsszenario aufgeteilt auf die verschiedenen Energieträger und CO2-Abbauanlagen (BECCS – Biokraftwerke mit Karboneinfang und Speicherung, DACC – Direkteinfang von CO2 und Speicherung aus der Luft ).
Für eine nachhaltige Energiewende ist eine drastische Reduktion der Emissionen aus dem Verkehr erforderlich, wie die Abbildung zeigt. Derzeit werden Autos, Fabriken, Heizungen, Transporte mit Energie aus fossilen Treibstoffen versorgt. In Zukunft sind diese auf elektrische Energie umzustellen. Die Umwandlung elektrischer in mechanische Energie ist mit geringen Verlusten verbunden, der Vorteil aber wird durch den verdoppelten Bedarf an elektrischer Energie aufgehoben.
Was ist erforderlich für eine erfolgreiche Energiewende?
Für eine erfolgreiche Energiewende ist der Umfang des Ausbaus erneuerbarer Energieträger zu verdoppeln.
Wasserstoff ist ein wichtiger Beitrag – er erweitert die Reichweite von Elektrizität. Überschüssige elektrische Energie wird zur Produktion von Wasserstoff benutzt, kann auf diese Art transportiert und gespeichert werden. Durch Verbrennung von Wasserstoff wird Wärmeenergie wieder in mechanische Energie rückverwandelt. Wasserstoff bildet eine Brücke zwischen dem Energiesektor und den Industrien, die Elektrizität nicht direkt oder nur schwer nutzen können. Dazu zählt die Stahlherstellung oder der Betrieb großer Transportschiffe.
Fernverkehr und Schwerindustrie sind jene Bereiche, bei denen der Kohlenstoffabbau am schwierigsten zu erreichen ist.
Innovationen und Energiewende
Schnell vorangetriebene Innovationen bilden die Grundlage für einen Weg in Richtung Netto-Null-Emissionen. Diese umfassen die Bereiche Elektrifizierung, Wasserstoff, Bioenergie und CCU (Carbon Capture and Utilization – CO2-Abscheidung und Verwendung).
Diese Technologien stehen nicht im benötigten Umfang kommerziell zur Verfügung. Viele befinden sich erst im Demonstrations- und Prototypenstadium. Die lange Lebensdauer vorhandener Industrieanlagen (Nutzungsdauer von Kohlekraftwerken betragen beispielsweise 60 Jahre), der starke Wettbewerb auf den globalen Märkten und die rasche Energienachfrage erschweren die Verringerung der Emissionen.
Maßnahmen zur weiteren Entwicklung der Energie- und Materialeffizienz, Verwandlung des Verkehrs von einem Auto-Individualverkehr in einen, der vermehrten Nutzung des öffentlichen Verkehrs, des Rades oder dem zu Fuß gehen sind von enormer Dringlichkeit.
Das neue Spiel – Weltklimapoker
Manfred Hinrich
Forderungen an Regierungen und Volksvertreter
Viele Konferenzen der Umweltminister und anderer Politikergremien fanden statt – transformieren sich warme Atemluft und leere Worthülsen endlich in Entschluss- und Tatkraft?
Regierungen und Volksvertretern kommen bei der Unterstützung des Übergangs zu Netto-Null-Emissionen eine entscheidende Rolle zu. Fünf wichtige Kernbereiche sind abzudecken:
- Bekämpfung der Emissionen bestehender Anlagen,
- Stärkung der sauberen Technologien in der Markteinführungsphase,
- Entwicklung und Modernisierung der Infrastruktur – Ausbau und Förderung des öffentlichen Verkehrs, der Radwege und der Lebensräume der Menschen (zu Lasten des den Raum beanspruchenden Autos),
- Verstärkte Unterstützung von Forschung und Entwicklung nachhaltiger Technologien und
- Ausbau der internationalen Technologie- und Forschungszusammenarbeit.