Erreichung der Kohlenstoff-Neutralität oder Netto-Null-Kohlenstoff innerhalb kürzester Zeiträume versprachen jüngst die fünf kalifornischen Lords: Google, Apple, Facebook, Amazon und Microsoft (GAFAM). Stimmt das?
Links zu Nachhaltigkeitsangaben der Techgigangen – GOOGLE – APPLE – FACEBOOK – AMAZON – MICROSOFT
Gemeinsamkeiten der Fünf Lords
Gemeinsamkeiten der „Fünf Lords“ sind – kontrollierende Feudalherren, Besitzer von Dienstleistern, Plattformen, Suchmaschinen und elektronischen Geräten, deren Einnahmen aus Nutzung und Verwertung von Kundendaten beruht.
Sie sind die fünf marktbeherrschenden Digitalkonzerne und wertvollsten Aktiengesellschaften der Welt. Ihr Kerngeschäft: Daten – sie bieten Geräte und Dienste an und gewinnen Daten der Nutzerinnen. Jedes Mitglied der GAFAM-Gruppe bildet ein eigenes Ökosystem in einem digitalen Umfeld.
Sie alle konkurrieren gegeneinander im Bereich digitaler Expansion: Künstliche Intelligenz, audiovisuelle Inhalte, Big Data, Internet der Dinge (IoT) und Cloud Speicher. Sie stellen die zentrale Infrastruktur der Web-Welt bereit. Diese Märkte sind ein Wachstumsbereich und Spielfeld der GAFAM.
Alle fünf Unternehmen dominieren den Markt und weisen Monopoltendenzen auf indem sie andere erfolgreiche Unternehmen aufkaufen – damit den Wettbewerb reduzieren und den Gewinn steigern.
Gemeinsam sind ihnen auch Negativschlagzeilen über ihren Umgang mit Nutzerdaten. Aktuelle Beispiele:
Google: EU-Strafe wegen Verstoßes gegen Datensicherheit
Apple: Sicherheitsleck in iPhones
Facebook: Neues Datenleck
Amazon: Zugangsdaten geleakt
Microsoft: Sicherheitslücken im Office 365
Sie sind in den USA ansässig, arbeiten weltumfassend, vertreten die „kalifornische Ideologie“, entziehen sich staatlicher Kontrolle und nutzen umfassende Methoden der Steuervermeidung.
Microsoft, Google (Alphabet) und Apple dominieren den Markt für Betriebssysteme, Amazon beherrscht den Onlinemarkt für Konsumgüter, Facebook und Google vereinen alleine in den USA 80% der gesamten Werbung auf sich.
In ihren Ankündigungen verwenden die Tech-Firmen die Begriffe Kohlenstoff-Neutralität und Netto-Null-Kohlenstoff.
Was ist Kohlenstoff-Neutralität, was Netto-Null-Kohlenstoff?
Kohlenstoff-Neutralität erreichen Unternehmen nicht nur durch Einsparung direkter Emissionen, sondern durch Zahlungen an jene, die Treibhausgase vermeiden bzw. zur Reduktion beitragen.
Das können beispielsweise finanzielle Zuwendungen an Waldbesitzer sein, damit sie ihre Bäume nicht fällen oder aber auch finanzielle Mittel zur Wiederaufforstung von Wäldern.
Netto-Null-Kohlenstoff erreichen Firmen durch einen wirklichen Gleichstand von produzierten und aus dem Kohlenstoffkreislauf entfernten Treibhausgasen.
Warum streben die fünf Lords nach Kohlenstoff-Neutralität oder Netto-Null-Kohlenstoff?
Kohlenstoff-Neutralität und Netto-Null-Kohlenstoff sind, so scheint es, für die Techgiganten Kaliforniens nicht nur Schlagworte. Wie ernst sie es wirklich meinen wird sich zeigen.
Die jüngsten Ankündigungen sind nicht einem plötzlich aufkeimenden selbstlosen Umweltbewusstsein geschuldet, sondern Ausdruck von Kostendenken, intelligentem Handeln angesichts erwarteter Entwicklungen und einem zunehmenden Druck durch die Umweltbewegung – wie Fridays for Future, umweltbewusste Einstellung eigener Mitarbeiter, Greenpeace, WWF.
Energie, Wasser, Heizungen und Gebäude effizienter zu nutzen sind sinnvolle Maßnahmen im Hinblick auf den Klimawandel – profan betrachtet senken sie die Kosten der Unternehmen. Erneuerbare Energieträger wie Sonnen- und Windenergie stehen nicht nur für die Zukunft der Energiegewinnung, sondern liefern mittlerweile billigeren Strom.
Die fünf Lords sind an Kostensenkungen interessiert und geben sich damit gleichzeitig ein klimafreundliches Image – Nachhaltigkeit macht sich gut auf Prospekten. Die Techgiganten haben das Ende des fossilen Zeitalters erkannt und passen ihr Handeln intelligent an.
Warum reichen die angekündigten Maßnahmen nach Kohlenstoff-Neutralität oder Netto-Null-Kohlenstoff nicht aus?
Aus mehreren Gründen.
Weil Kohlenstoff-Neutralität zum Ausgleich eigener Emissionen Kompensationsprojekte vorsieht. Das ist unwirksamer als die direkte Entfernung von Treibhausgasen aus dem Kohlenstoffkreislauf.
Transparenz der Emissionsmengen und des Stromverbrauches, die verfolgbare Darstellung angekündigter Maßnahmen nach Standorten aufgeschlüsselt sind ein Erfordernis – damit es nicht nur beim Etikettieren bleibt.
Die Klimapläne von Amazon, Microsoft und Google werden durch ihre laufenden und intensivierten Partnerschaften mit Erdöl- und Erdgasfirmen unterlaufen. Mit KI-Verträgen und maschinellem Lernen umwerben sie Erdöl und Erdgas schürfende Unternehmen.
2019 verkündete Microsoft lautstark den Ausbau seiner Klimaschutzbemühungen, gründete jedoch gleichzeitig in Abu Dhabi im November 2019 ein AI-Zentrum, zur Förderung der Gewinnung fossiler Rohstoffe.
Ausgerechnet BP, ein Ölkonzern von zweifelhaftem Ruf, soll Microsoft mit erneuerbarer Energie versorgen – soweit ein umfassender strategischer Rahmenvertrag. Echt jetzt?
Naturgemäß streben Unternehmen nach mehr Umsatz und mehr Gewinn. Das bedeutet den Konsum anzukurbeln, damit geht Energiewachstum einher. Die Erweiterung von Produktionsstandorten und erhöht den Ressourcenverbrauch.
Apple beispielsweise rechnet mit einem Tausch der iPhones alle drei Jahre und der Notebooks alle vier Jahre.
Konsumsteigerung ist der falsche Weg in eine saubere Zukunft.
Amazon ist an der Firma Rivian beteiligt, die bis 2030 100.000 Elektrolieferfahrzeuge auf die Straße bringen will. Ja, E-Fahrzeuge sind gegenüber Verbrennern ein Fortschritt, aber der Großteil der Treibhausgase entsteht bereits bei der Produktion – sowohl beim Verbrennerauto als auch beim E-Auto.
Google und Nachhaltigkeit
2007 verpflichtete sich Google zur Klimaneutralität. Seit 2017 deckt Google seinen Stromverbrauch zu 100% durch den Kauf erneuerbarer Energien (2019 12,2 Terrawatt Stunden) ab. Über Ausgleichszahlungen schaffte Google die Neutralisation aller Emissionen seit der Gründung.
Bis 2030 will Google das erste Unternehmen sein, das rund um die Uhr mit kohlenstofffreier Energie arbeitet. Dieses Ziel soll erreicht werden durch:
- Neue Technologien zur kohlenstofffreien Energieerzeugung und -speicherung
- 5,5 GW erneuerbare Energieprojekte (mehr als 50 weltweit)
- Auflegen einer Nachhaltigkeitsanleihe in der Höhe von 5,75 Mrd. US$ mit deren Erlös laufende ökologische Projekte finanziert werden (dazu zählen u. a.: Erhöhung der Energieeffizienz, saubere Energie, grüne Gebäude, sauberer Transport und Kreislaufwirtschaft)
- Pflanzung von Bäumen und Wiederaufforstung von Wäldern.
Der ökologische Fußabdruck von Google beträgt 1,5 MtCO2.
Apple und Netto-Null-Kohlenstoff
Apple verpflichtete sich bis 2030 zu einer Netto-Null-Kohlenstoff Strategie (umfasst auch die Lieferkette, Produktherstellung und Energieversorgung der Unternehmen). In zehn Jahren sollen Apple-Geräte ohne CO2-Belastung hergestellt werden. Dafür ist der Kohlenstoffdioxidausstoß bis 2030 um 75% zu senken. Die restlichen 25% werden durch Bindung von Treibhausgasen ausgeglichen.
Apple investiert in erneuerbare Energieanlagen. Das Bild zeigt den Bau einer Windkraftanlage in Esbjerg, Dänemark, die das Rechenzentrum in Viborg versorgen wird.
Büros, Rechenzentren und eigene Produktionsstätten werden bereits komplett mit erneuerbarer Energie betrieben. Apple schließt in seine Berechnungen die gesamte Lieferkette mit ein.
Bereits 70 Zulieferer Apples verpflichteten sich zum Umstieg auf erneuerbare Energiequellen.
Einen wichtigen Schwerpunkt sieht Apple im verstärkten Einsatz von Recycling-Materialien. Ziel ist keine neuen Rohstoffe mehr fördern zu müssen.
Apple weist unter den fünf großen US-Firmen der IT-Branche die größte Transparenz seiner Daten und Bemühungen auf. Die Nachhaltigkeitsberichte werden durch unabhängige Stellen wie das Fraunhoferinstitut IZM geprüft.
Die Selbstverpflichtung Apples ist groß. Für eine Apple Uhr der Serie 5 werden nämlich insgesamt 40 kg CO2 veranschlagt. Dabei rechnet Apple Herstellung, Transport, Nutzung und Entsorgung ein. Für einen MacBook Pro 16 Zoll fallen 2,8 Tonnen CO2 an. Ein großer Teil der Emissionen fällt auf den Stromverbrauch der Geräte während der Nutzung.
Apple als Unternehmen will seinen Umsatz und Gewinne steigern, das heißt die Zahl seiner verkauften Geräte steigern. Dieser Wunsch ist konträr zu einfacher Reparatur und Wartung der Geräte. Aus Sicht des Klimaschutzes wäre das Gegenteil, nämlich eine lange Lebensdauer, das Ziel.
Der ökologische Fußabdruck Apples 2019 betrug 25,1 MtCO2. 74% davon entfallen auf die Herstellung der Produkte.
Trotz einiger Mängel wird Apple, von Greenpeace wegen seiner bisherigen Erfolge, Transparenz und ehrgeizigen Plänen gelobt und anerkannt.
Facebook und Netto-Null-Kohlenstoff
Facebook reduzierte 2019 seine Treibhausgasemissionen um 59% im Vergleich zu 2017. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der erneuerbaren Energie auf 86%. Ziel ist eine Reduktion der Treibhausgase um 75% und 100% erneuerbare Energie bis Ende 2020.
Facebook kündigte ein neues Klimawissenschafts-Informations-Zentrum an, wie auch Netto-Null-Kohlenstoff 2030 für die Lieferkette an. Facebook investiert in Solarprojekte und Wasseraufbereitungsprojekte.
Ziel sind nachhaltige Rechenzentren, die mit erneuerbarer Energie energieeffizient betrieben werden. Facebook will die Verbreitung von Klima Fake-News auf ihren Plattformen unterbinden.
Der Umsatz stieg 2019 um 28% auf 16,6 Mrd. US$ obwohl eine Rekordstrafe von 5 Mrd. US$ an die US-Börsenaufsichtsbehörde zu bezahlen war. Die Strafe erkaufte die Einstellung der Ermittlungen im Datenschutz-Skandal Cambridge Analytica.
Zu Facebook gehören die Datendienste Instagram und WhatsApp.
Nach eigenen Angaben beträgt der ökologische Fußabdruck Facebooks 0.34 MtCO2.
Je üppiger die Pläne blühen,
um so verzwickter wird die Tat
Erich kästner
Amazons Klimaversprechen
Amazon verspricht bis 2030 eine Umstellung auf 100% erneuerbare Energie und bis 2040 eine Netto-Null-Kohlenstoff Bilanz. Amazon will dazu 100.000 elektrische Lieferfahrzeuge von Rivian anschaffen. Investitionen in Projekte erneuerbarer Energie werden als Teil der Maßnahmen genannt. 100 Mio US$ werde zum Kohlenstoffausgleich in Wiederaufforstungsprojekte investiert. Kreislaufwirtschafts-, Innovations- und Technologieprojekte unterstützen die ehrgeizigen Pläne. Amazon geht nicht näher auf die genauen Umsetzungsschritte ein.
Bisher besserte Amazon seine Kohlenstoffbilanz durch Zertifikate auf, was nicht der beste Weg ist, fossile Brennstoffe zu vermeiden. Amazon ist bekannt für mangelnde Transparenz. Die Bekanntgabe seines ökologischen Fußabdrucks von 44,4 MtCO2 war eine Premiere für Amazon. Amazon liefert beispielsweise keine grundlegenden Informationen über seinen Energiebedarf.
Die Ziele für die Nutzung erneuerbarer Energie decken nur den eigenen Betrieb ab, nicht aber den der gesamten Lieferkette, der 75% des gesamten Kohlenstoff-Fußabdrucks ausmacht.
AWS (Amazon Web Services) ist der weltweite größte Anbieter von Cloud-Diensten. Die Rechenzentren befinden sich oft an Orten, an denen keine erneuerbaren Energiedienstleister zu finden sind – der Energiemix ist oftmals stark fossillastig. Dies erschwert die Erreichung der genannten ehrgeizigen Ziele.
Amazon ist über Dienstleistungen wie maschinelles Lernen und KI-Technologien eng mit Ölfirmen wie BP, Shell und anderen verbunden. Die prekären Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter Amazons sind aus den Medien bestens bekannt. Jeff Bezos drohte Mitarbeitern die sich kritisch über die Klimapolitik Amazons äußern mit Entlassung.
Microsofts ehrgeizige Klimaziele
Bis 2025 will Microsoft auf 100% erneuerbare Energie für alle seine Rechenzentren, Gebäude und Campusse umstellen.
Bis 2030 soll die Fahrzeugflotte für den weltweiten Campusbetrieb elektrisch fahren.
Eine interne Kohlenstoffsteuer bietet Anreiz für klimaverträgliche Unternehmensprojekte. Die Einkünfte aus dieser Steuer werden in Verbesserungen der Nachhaltigkeit investiert.
Microsoft führt Prozesse zur Einbindung ihrer Lieferanten zur Erfüllung der Klimaziele ein. Bis 2030 will Microsoft mehr Kohlenstoff entfernen als es emittiert.
Bis 2050 soll der gesamte Kohlenstoff anteilig aus der Atmosphäre entfernt werden, den die Firma seit ihrer Gründung im Jahr 1975 direkt oder durch Stromverbrauch emittiert hat. Dazu ist ein Portfolio von Technologien zur Erreichung negativer Emissionen vorgesehen – Aufforstung und Wiederaufforstung, Kohlenstoffbindung im Boden, Bioenergiegewinnung mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (BECCS) oder direkte Abscheidung von CO2 aus der Luft (DAC).
Microsoft will den Schwerpunkt von der Zahlung von CO2-Ausgleichszertifikaten hin zur realen Kohlenstoffentfernung verlagern.
Innerhalb von 4 Jahren will Microsoft 1 Mrd. US$ in neue innovative Klimatechnologien investieren.
Über eine „Planeten-Plattform“ sollen Daten über die Erde zusammengeführt und allgemein nutzbar gemacht werden.
Negativ zu sehen sind die parallel zu den Klimabestrebungen laufende intensive Zusammenarbeit mit der Fossilindustrie.
Überblick über die Klimavorhaben der fünf Lords
Schützen die angekündigten Maßnahmen der GAFAM das Klima?
Ja, es sind Schritte auf dem richtigen Weg. Je mehr Firmen, wenn auch aus gewinnmaximierenden Gründen, Maßnahmen zum Klimaschutz treffen, um so größer sind die Chancen einen Wandel herbeizuführen.
Die Techgiganten Kaliforniens haben Vorbildwirkung. Sie haben Einfluss auf ihre Lieferketten, auf Politiker und Regierungen. Gegenüber der Administration Ronald Trumps nehmen sie beispielsweise eine konträre Haltung ein. Sie handeln nicht selbstlos – aber der Umstieg auf erneuerbare Energien und die Senkung ihrer Treibhausgasemissionen sind der richtige Weg die Umwelt zu schützen.